Kommunalwahlergebnis auf den ersten Blick

von Torsten Warnecke

– ein genauer am Beispiel des Landkreises Hersfeld-Rotenburg

Bad Hersfeld. Die Kommunalwahl vom 14. März 2021 hat ihre Ergebnisse erbracht. Obgleich auf kommunaler Ebene gewählt wurde, ziehen Augurinnen und Auguren landes- und bundespolitische Schlüsse. Grundlage dazu sind die Ergebnisse der 21 Landkreiswahlen sowie der in den fünf kreisfreien Städten in Hessen.

Das Ergebnis daraus: Mit 28,5 Prozent verlor die CDU 0,4 Prozentpunkte, die SPD mit 24 Prozent 4,5 Prozentpunkte, mit 18,4 Prozent gewannen die Grünen 7,1 Prozentpunkte, die AfD verlor mit 6,9 Prozent 5 Prozentpunkte, die FDP gewann 0,3 Prozentpunkte auf 6,7 Prozent, Die Linke gewann 0,5 Prozentpunkte auf nunmehr 4 Prozent, Wählergruppen verloren 1,5 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent und sonstige Parteien legten 3,4 Prozentpunkte auf 5,6 Prozent des Gesamtergebnisses zu.

Größter Gewinner waren somit die „sonstigen Parteien“ mit einem Plus von gut 150 Prozent, größter Verlierer die AfD mit einem Minus von mehr als 40 Prozent.

Der allenthalben ausgerufene politische Wahlsieger waren jedoch die Grünen mit einem Plus von 60 Prozent. Diese hatten ihr bislang bestes hessisches Kommunalwahlergebnis aus dem Jahre 2011 um 0,1 Prozentpunkte auf 18,4 Prozent verbessert. Fünf Kommunalmandate weniger bedeutet dies in der Abrechnung. Im Landtag sprach ein euphorisierter grüner Abgeordneter in Abgrenzung zur SPD gar von „der ehemaligen Kommunalpartei SPD“. Ist das alles die Realität? Ja, und doch nur ein Ausschnitt.

Entscheidende Frage für die kommunalpolitische Ebene!

Ein Eindruck kann bei dieser Betrachtung entstehen: 21 Landkreise und fünf kreisfreie Städte, das seien die hessischen Kommunalparlamente. Eben dieses Ergebnis spiegele die Kommunalwahlen wider. Wo aber sind Hessens 417 kreisangehörige Städte und Gemeinden? Haben die kein Kommunalwahlgewicht? Und bilden diese nicht den maßgeblichen Block für die vielzitierte „Demokratie vor Ort“? Werden nicht dort Entscheidungen zum Ergebnis geführt, die noch in direkten Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürger durch die immer wieder hochgelobten wahrlich „Ehrenamtlichen“ weitergetragen und dargestellt werden? Der Blick auf diese Ebene lohnt sich!

Landkreis im ländlichen Raum: Beispiel Hersfeld-Rotenburg

Im Landkreis Hersfeld-Rotenburg konnte die SPD mit gewonnenen 0,3 Prozentpunkten und einem Kreiswahlergebnis von 37,2 Prozent und einem Sitz mehr (nunmehr 23 von 61 Kreistagsabgeordneten) zulegen. Dieses Ergebnis ist auch in die Landesstatistik der Landkreise und kreisfreien Städte Hessens als Kommunalwahlergebnis eingegangen.

Aber das ist wahrlich nicht alles! Denn nicht allein 61 Kreistagsabgeordnete gilt es durch Wahlen zu besetzen. Vielmehr kommen in den 20 kreisangehörigen Kommunen weitere 450 Mandatsträgerinnen und -träger hinzu. Diese werden auf die Parlamente von vier Städten und 16 Gemeinden, bei gut 120.000 Einwohnerinnen und Einwohner, verteilt. Von der kleinsten Gemeinde Cornberg mit 1.600 Einwohnerinnen und Einwohnern bis zur Festspielstadt Bad Hersfeld mit 30.000.

Zu den Parlamentariern in den 20 Kommunalparlamenten kommen die Kreisbeigeordneten, die Stadträte sowie die Mitglieder in den Gemeindevorständen. Und schließlich gibt es gerade im Ländlichen Raum eine Vielzahl von Ortsbeiräten, die sich in den Gemeinden an den Ortsteilen (Dörfern) sowie in den Städten an Stadtteilen oder ehemaligen eingemeindeten Dörfern orientieren. Diese zahlreichen Mandate bleiben bei dieser Betrachtung außen vor.

511 Mandate somit im Landkreis insgesamt, statt der allein 61 Kreistagsmandate, die in die Wahlstatistik des Hessischen Statistischen Landesamtes einfließen. Das sollte den Blick auf das ehrenamtliche politische Engagement schärfen. Zumal Parteien und Gruppierungen, die aufgrund des Wahlrechts (kumulieren, panaschieren) ein breites personelles Angebot machen wollen, schnell an ihre Grenzen stoßen können. Tausende Kandidierende lassen sich aufstellen. Gelebte Demokratie.

Ergebnisse der Kommunalwahl

Im Detail sind die errungenen Mandate vor Ort – Zahl der notwendigen Stimmen, um ein Mandat zu erreichen – mit denen auf Kreisebene aufgrund des Kumulierens, Panaschierens und der unterschiedlichen Stimmenzahl (Mandate und damit Stimmenmaximalzahl: Landkreis Hersfeld-Rotenburg 61 über Bad Hersfeld 39 bis Cornberg 11) nicht gleichzusetzen. Dennoch müssen Kandidaturen aufgeboten, Mandate dauerhaft besetzt und damit vor allem kommunalpolitische Arbeit gestaltet werden. 4,2 Millionen Stimmen wurden für die Kreistagswahl und die der vier Stadt- sowie 16 Gemeindeparlamente von den Wählerinnen und Wähler vergeben (siehe Tabelle).

Auffällig ist, daß die SPD zulegen konnte. Das Spitzenergebnis mit 92 Prozent in der mit 5.800 Ludwigsauerinnen und Ludwigsauern einwohnerstärksten und mit 110 Quadratkilometern größten Flächengemeinde ist hessenweit nicht übertroffen worden. Auf Kreisebene konnte die SPD mit 23 von 61 Mandaten, bei 37,2 Prozent (1.062.392 Stimmen) zulegen. Von der Gesamtzahl der bei der Kreis-, Stadt- und Gemeindewahl abgegebenen rund 4,2 Millionen Stimmen erreichte die SPD 1.598.189 Stimmen oder 38,25 Prozent. Damit konnte die SPD 230 Mandate insgesamt erringen oder gut 45 Prozent der Sitze in den Kommunalparlamenten.

Die CDU kandidierte in immerhin vier Kommunen, darunter Ludwigsau, gar nicht. Im Kreistag verlor sie zwei Sitze, der Abstand zur SPD ist damit auf sieben gewachsen. 25,8 Prozent (737.295 Stimmen) entsprechen nicht dem Wahlziel, die SPD als stärkste Partei ablösen zu wollen. 117 Mandate insgesamt bedeuten einen Anteil von gut 23 Prozent.

Die Grünen erreichten von den 511 kommunalen Mandaten 19 oder 3,7 Prozent. Sie sind damit in nur wenigen Kommunen verankert. Zu einem Kreiswahlergebnis von 6 Sitzen, bei 9,2 Prozent (plus 3,3 Prozentpunkte) Stimmen (263.713 Stimmen) kommen weitere 13 Sitze in Kommunen hinzu.

Die FDP konnte ihr Ergebnis auf Kreisebene um 0,4 Prozentpunkte auf 5,5 Prozent verbessern, gewann damit erneut drei Kreistagsmandate. Hinzukommen 16 weitere Kommunalmandate, somit insgesamt 19 Mandate.

Die AfD trat nur auf Kreisebene an, verlor dabei gut 33 Prozent oder 4,1 Prozentpunkte. Mit fünf Kreistagsmitgliedern errang sie etwas mehr als 0,9 Prozent der Kommunalmandate.

Die Linken erreichten im Kreistag ein und in einem Stadtparlament ein weiteres Mandat. Die 2,2 Prozent Kreistagswahlergebnis bedeuten den Verlust des Fraktionsstatus.

Die Freien Wähler und die FWG erreichten insgesamt 25 Mandate, davon 3 im Kreistag mit dort 5 Prozent. Das macht über alle Parlamente fast 4,9 Prozent der Kommunalmandate aus.

Die häufig nur vor Ort kandidierenden, sich nicht zusammenschließenden Gruppierungen und Listen kommen zusammen auf 91 Mandate, rund 18% der 511 Mandate. Dies weist auf eine vielfältige politische Landschaft hin, nicht selten jedoch mit einer allein punktuellen politischen Agenda.

Demokratie kommt ohne tiefgreifende Verankerung nicht aus

Die politischen Debatten werden einerseits mit langfristig-globaler, andererseits mit kleinteilig-lokaler und -regionaler Ausrichtung angelegt. Hinzu kommen die zahlreichen kurzfristigen Ziele. Die tendenzielle Wahrnehmung, wonach die Relevanz von Parteien, die auf allen Ebenen Verknüpfungen vorweisen, abnimmt, spricht gegen Volksparteien. Die tatsächlichen Notwendigkeiten dafür.

Und die kommunalpolitische Praxis verweist darauf, daß Volksparteien eine tiefe Verankerung aufweisen. Dies dokumentiert sich nicht allein in den modern „Netzwerken“ genannten personellen Verknüpfungen. Vielmehr verbunden damit sind auch Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Auf das Unterstützen, Helfen und gemeinsame Schaffen, das Feiern, Erinnern und Austauschen auch Diskutieren sei verwiesen. Die Volksparteien bilden dies offenbar ab.

Und zweifelsohne ist die Sozialdemokratie mit 14 von 21 Landrätinnen und Landräten der hessischen Landkreise sowie vier der fünf Oberbürgermeister der kreisfreien, schließlich weiteren vier der sieben Sonderstatusstädte die führende Kommunalpartei.

Am Beispiel des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, der gewiß exemplarisch für die beiden Volksparteien SPD und CDU stehen kann – wenn auch bei unterschiedlichen Stimmenergebnissen – wird deutlich, wie gewichtig vor Ort die Volksparteien sind. SPD Hessen: Die Kommunalpartei.

>>> Kommunalwahl 2021 Auswertung: Tabelle Gesamtstimmen

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